EXPERTENTIPPS
KLEINER WOHNEN
MICROLIVING

MAXIMALE LEBENSQUALITÄT AUF MINIMALEM RAUM

Das Systemmöbel Corner der Müller Möbelwerkstätten ist vielseitig und bietet flexible Lösungen für wenig Raum.
Ein Mikroapartment einzurichten erfordert einen kreativen Umgang mit dem begrenzten Platz und stellt besondere Anforderungen an die Möbel – zwei Einrichtungsexperten verraten, worauf es beim Einrichten kleiner Räume ankommt und wie Sie Platz schaffen können.
AUTORIN: Catherine Hug

Bis vor Kurzem bewohnte Nadia Waldherr selbst eine 28-Quadratmeter große Wohnung – Erfahrung mit der Gestaltung von kleinen Räumen bringt die Interior Designerin des CI-Hauses Marcus Hansen in München also quasi von Hause aus mit. Gemeinsam mit Marcus Hansen, spricht sie über aktuelle Microliving-Projekte, unterschiedliche Ansätze beim Einrichten von Microliving-Apartments und Designklassiker, die wenig Platz beanspruchen.

1. WIE VIEL PLATZ BRAUCHE ICH ZUM LEBEN? ODER: WAS WIR VON ASIATEN LERNEN
KÖNNEN

Ob Zweitwohnung oder Hauptwohnsitz, Studentenwohnung oder serviced Apartments mit integrierten Co-Working-Arbeitsplätzen – nicht nur in München scheint der Trend zum Mikrowohnen ungebrochen. Kein Wunder, bei stetig steigenden Quadratmeter-Preisen in Ballungsgebieten, in denen großzügige Wohnungen längst Mangelware sind. Dabei ist weder die angespannte Wohnungssituation in Großstädten noch die zunehmende Anzahl an Mikro-Apartments eine ausschließlich deutsche Entwicklung. So unterscheidet sich auch die Definition dessen, wo Mikrowohnen anfängt und was es beinhaltet international mitunter deutlich voneinander, so Marcus Hansen: „Wenn in Tokio eine vierköpfige Familie auf 15 Quadratmetern lebt, ist das natürlich etwas ganz anderes, als in München. Denn dort findet das gesellschaftliche Leben außerhalb der eigenen Wohnung statt, während es für uns dazugehört, Gäste zuhause zu bewirten. Allerdings ist der Wohnraum auch in München vergleichsweise teuer und wir haben es historisch mit kleinen Wohneinheiten zu tun. Die Unterscheidung ist aber für uns vor allem deshalb relevant, weil wir momentan einen starken Zuzug aus dem asiatischen Bereich haben.“

„WENN MAN EHRLICH IST, BRAUCHT MAN WENIG RAUM, UM GUT LEBEN ZU KÖNNEN. UNSERE AUFGABE IST ES, DIESEN RAUM GUT NUTZBAR ZU GESTALTEN.“

NADIA WALDHERRINTERIOR DESIGNERIN MARCUS HANSEN

Doch wieviel Platz braucht es aus der Perspektive eines deutschen Inneneinrichters zum Leben? Und welche Möbel erfordert ein Mikro-Apartment, um nicht beengtes sondern komfortables Wohnen zu ermöglichen? Nadia Waldherr, aktuell mit einem Großprojekt in den Münchner Osram-Werken betraut, bei dem Marcus Hansen mehr als 100 Mikro-Apartments einrichtet, geht von mindestens 25 Quadratmeter aus: „Bei Studentenwohnheimen mit angeschlossenen Gemeinschaftsräumen können es auch mal zwischen 16 und 25 Quadratmetern sein“, ergänzt die Interior Designerin, die statt zu maßgeschneiderten Schreinerlösungen lieber zu hochwertigen Möbeln greift, um eine kleine Einzimmerwohnung stilsicher und funktional einzurichten: „Wir sehen häufig, dass die Überfunktion von Möbeln seine Benutzer überfordert. Deshalb greifen wir gerne auf sich selbsterklärende Möbel zurück, wie zum Beispiel das Stapelbett Lönneberga, dem man seine Funktion als Schlafstätte ansieht, welches aber ebenso gut als Sofa oder, einzeln nebeneinandergestellt, als Doppelbett fungiert. Man muss also einfach globaler denken, wie man ein Möbel nutzen kann.“

Das habe zudem einen ganz praktischen Nutzen, ergänzt Marcus Hansen: „Wenn die Dinge zu komplex werden, sind Abnutzungserscheinungen und Beschädigungen an den Öffnungsmechanismen vorprogrammiert, das lässt sich durch die Auswahl entsprechender Möbel vermeiden.“

2. WENIGER IST MEHR. VERZICHT, DER MIT PLATZ BELOHNT WIRD.

Doch vor dem Einrichten des Mikro-Apartments heißt es Abschiednehmen. Fragen wie „Was brauche ich wirklich?“ und „Was brauchen wir am wenigsten?“ seien die Grundlage für entspanntes Wohnen auf wenig Quadratmetern, so Hansen. Nadia Waldherr formuliert diese Herausforderung positiv: „Es geht darum, den vorhandenen Platz optimal zu nutzen. Solche Konzepte kennen wir sogar aus dem alten Japan, in dem durch das Umstapeln der Tatami-Matten der Platz immer wieder neu definiert wurde. Das müssen wir für unsere heutige Zeit neu interpretieren und gestalten.“

Dieser für Microliving erforderliche minimalistische Lebensstil führe häufig zum Verzicht des Sofas, so Hansen, für den der Esstisch die zentrale Funktion der Geselligkeit längst übernommen hat: „Früher verlagerte sich nach dem Essen alles ins Wohnzimmer auf das Sofa. Heute bleiben wir dagegen mit Gästen eher am Tisch sitzen. Für die eigene Entspannung reichen dann ein oder zwei Sessel.“

Aus Platzgründen auf die eigene Küche zu verzichten, so wie es in asiatischen Ländern durchaus üblich ist, hält Waldherr dagegen in unseren Breitengraden für wenig praktikabel: „Für eine gewisse Lebensqualität ist es wichtig, dass die Bewohner autark bleiben. Dazu gehört auch eine Küche, selbst wenn sie sehr klein ist. Nur weil ich auf 23 Quadratmetern wohne, muss ich nicht in den Waschsalon gehen.“

Ein weiterer Faktor spiele bei der Einrichtung von Einzimmerwohnungen eine wichtige Rolle, ergänzt Hansen: „Staubsauger, Wäscheständer, Bügelbrett, Bügeleisen – das alles benötigt viel Platz. Ohne Teppichboden ließe sich zum Beispiel auf den Staubsauger verzichten und Platz gewinnen.“ Aber nicht nur die Reduzierung der Reinigungs- und Pflegemittel führe zu weniger benötigtem Stauraum und damit mehr Platz: „Gerade bei jungen Leuten geht der Trend wieder zu einer Kleiderstange statt eines großen Kleiderschranks, der wesentlich mehr Raum einnimmt“, so Inneneinrichter Hansen.

Dass das Microliving-Konzept damit nicht für jeden das Richtige ist, wird spätestens jetzt deutlich. „Das ist ein Thema für junge Menschen, Geschäftsleute mit Zweitwohnungen, vielleicht noch junge Paare. Die reisen viel, arbeiten viel und werden von ihrem Arbeitgeber international eingesetzt und profitieren von kurzen Wegen und der guten Anbindung vor Ort. Und dann gibt es noch eine zweite Phase, in der solche Wohnkonzepte wieder eine Rolle spielen: wenn die Kinder längst aus dem Haus sind und man sich im Alter verkleinern möchte und ebenfalls von der zentralen Lage, den kurzen Wegen und der guten Infrastruktur profitiert“, erklärt Hansen.

3. KLEINE RÄUME, GROSSE WIRKUNG. PLATZSPARENDE DESIGNKLASSIKER

Aufwändig gefertigte Individuallösungen sind in den von Nadia Waldherr erarbeiteten Einrichtungskonzepten für Mikrowohnen nur selten anzutreffen, eine Mischung aus neuen und alten Designklassikern eher: „Der Klappsekretär Flatmate von Müller Möbelwerkstätten ist perfekt für kleine Räume. Die Stapelliege von Rolf Heide funktioniert als Bett und Sofa zugleich“, so die Interior Designerin.

Ein echter Designklassiker, der sich als multifunktionale System-Lösung anbiete, sei USM, so Hansen: „Als Systemmöbel lässt sich mit den Stangen und Rohren ein Kubus bauen, der von der einen Seite ein Bett beherbergt, von der anderen Regal und Tisch samt Beleuchtung integriert – also ein Möbel, das alles bietet.“

Wesentlich kleiner und dennoch perfekt für Mikrowohnen geeignet ist der Klapptisch „Jean“ von Eileen Gray (ClassiCon). Ein Tisch, der sich mit wenigen Handgriffen von zwei auf vier Personen erweitern lässt und dabei auch noch eine filigrane Eleganz in den Raum bringt.

Überhaupt sei weder das Phänomen Mikrowohnen ein wirklich neues, noch die Möbel, die in ein solch minimales Einrichtungskonzept passen würden, erklärt Hansen: „Viele der Designklassiker, die wir verkaufen, stammen aus der Bauhaus-Ära, in der man sich ja erstmals damit beschäftigt hat, Möbel zu entwerfen, die in die wesentlich kleineren Arbeiterwohnungen passten.“ Trotzdem wünscht sich der Einrichtungsexperte im Bereich hochwertiger Designermöbel deutlich mehr Auswahl zum Einrichten kleiner Wohnungen „Viele unserer Premium-Marken brauchen einen gewissen Platz. Auf den Messen sieht man vorwiegend ausladende Sofalandschaften und riesige Esstische. Auf der anderen Seite verzeichnen wir gerade in München eine verstärkte Nachfrage nach Möbeln für kleine Räume: Familien, die sich trotz begrenztem Raum einen hohen Komfort wünschen. Ein Beispiel sind da Auszugstische, die sich von zwei auf sechs Personen vergrößern lassen – das wird häufig nachgefragt, der Markt bietet in diesem Bereich aber leider wenig Auswahl, wenn es um hochwertige Einrichtung geht. Da ist noch Raum“, so Hansen.

ERPROBTES WISSEN UND LEIDENSCHAFT

UNSERE EXPERTEN

„DIE BESCHRÄNKUNG AUF DAS ABSOLUT NOTWENDIGE IST EIN MUSS BEI MICROLIVING-PROJEKTEN.“
MARCUS HANSEN
INHABER MARCUS HANSEN IN MÜNCHEN

BILDER:

Müller Möbelwerkstätten, Vitra, Hay, Richard Lampert

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