Homestory
Recycling

Restlos verbunden

An einer Felsküste in den norwegischen Schären steht zwischen Meer und Wald ein Haus, gebaut aus Restholz. Eine unwegsame Landschaft mit Felsvorsprüngen und dichter Vegetation aus Fichten, Laubbäumen und Gebüsch prägt diesen Ort. Mit dem Meer auf der einen und dem Wald auf der anderen Seite erscheint das Saltviga House wie eine Antwort auf seine Umgebung. Aber es ist noch mehr: nämlich der gelungene Versuch, Verschnitte aus der Produktion maßgefertigter Böden sinnvoller und vor allem schöner zu nutzen, als nur Brennholz aus ihnen zu machen.
Restlos verbunden
Catherine Hug

Es sollte ein Experiment sein, ausgelöst durch die Überlegung, was man aus dem schönsten Überschuss der Welt schaffen kann: Holzreste, kurz Verschnitt, der bei der Herstellung maßgefertigter Dielen von Dinesen entsteht. Das Saltviga House, ein Entwurf von Kolman Boye Architects, besteht zum größten Teil aus diesen Resten. Reste, für die es bis dato keine Verwendung gab. Nun bestehen Dach und Fassade des Hauses aus insgesamt 12.000 Eichenholzreststücken aus der Bodenproduktion Dinesens. Sie wurden mit minimalem Abfall auf Maß zugeschnitten, vorgebohrt und behandelt, bevor die Montage mit Edelstahlschrauben erfolgte. Ein behutsamer und umsichtiger Umgang mit dem Material war Voraussetzung für den gesamten Entwurfs- und Entwicklungsprozess. Aber auch die Bauphase erforderte das umfangreiche Wissen aller beteiligten Tischler:innen, Zimmerleute und Zulieferer. Ein Einsatz, der sich in vielerlei Hinsicht gelohnt hat. Denn so ist nicht nur ein ästhetisches, robustes und angepasstes Haus mit einem umweltfreundlichen Ansatz entstanden. Das Projekt ist auch ein Lehrstück in Sachen Ressourcennutzung und Zero Waste.

Für die Architektur von entscheidender Bedeutung war die existierende Landschaft, denn die Natur sollte möglichst wenig vom Bau des Hauses beeinträchtigt werden. Die kleinen Waldpfade, die über Generationen von den Grundstücksbesitzer: innen ausgetreten wurden, bleiben weiterhin unberührt erhalten und die Architektur rankt sich um den natürlichen Meeresblick zwischen den alten Baumstämmen. Dadurch sind windgeschützte und sonnige Ecken im Zusammenspiel mit den erhaltenen Bäumen und den schönen Pfaden zwischen Gestein und Gebüsch entstanden. An das nach Nordosten geneigte Gelände angepasst, bildet das Gebäude drei Volumen, die auf fünf verschiedenen Ebenen liegen. Draußen schaffen die drei Baukörper zwei unterschiedliche Räume, die durch eine zu öffnende Windbarriere getrennt sind: einen windgeschützten Innenhof zum Wald hin und eine offene Terrasse zum Meer hin, die durch ein bestehendes beschnittenes „Fensterband“ in den Nadelbäumen den Blick freigibt.

Neben dem Eichenholz im Außenbereich dominiert auch im Innern das nachwachsende Naturmaterial. Die Innenverkleidung aus Douglasie ist in einem etwas wärmeren, weißlichen Farbton gehalten – ein gelungener Kontrast zu den neutralen Estrichböden. Die schmalen Dielen, die beim Schneiden aus dem Baumstamm auf natürliche Weise entstehen und das Material optimal ausnutzen, finden sich an Wänden und Decken wieder und erzeugen mit wechselnden Nuancen und wunderschöner Maserung eine gelungene Dynamik im Raum. Der zarte Duft der Douglasie trägt außerdem zum Wohlbefinden in den harmonisch gestalteten Räumen bei.

Ein achtsamer Umgang mit dem nachwachsenden Rohstoff zeigt sich auch bei weiteren maßgefertigten Einrichtungslösungen wie Ablagen, Regalen und Treppenstufen sowie bei der Küche, deren Fronten aus überschüssigem Douglasienholz bestehen. So gelingt es den Architekturschaffenden, mit bedachter Materialwahl eine wohltuende Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Bewohner:innen des Hauses eng an die sie umgebende Natur angebunden fühlen. Ressourcenschonend und zukunftsweisend bis ins kleinste Detail.

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