EXPERTENTIPPS
Büro
New Work

Schöne neue Arbeitswelt

Open Space, Desk-Sharing und Silent Rooms – Einrichtungsexperte Helge Voss über Veränderungen in der Arbeitswelt und Trends in Sachen Office-Design.
AUTORIN: Catherine Hug

Nicht alles, was sich unter dem verheißungsvollen Schlagwort „New Work“ versammelt, passt für jedes Unternehmen. Welche Voraussetzungen erfüllt werden sollten und welche Folgen eine neu gestaltete Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter haben kann – Helge Voss, Geschäftsführer des CI-Einrichtungshauses Gärtner in Hamburg spricht über Veränderungen in der Arbeitswelt und Trends in Sachen Office-Design und verrät, welche Konsequenzen das Unternehmen Gärtner für die Neugestaltung seiner eigenen Bürofläche daraus zieht.

Das Einrichtungshaus, das im Bereich Objekt- und Büroeinrichtung von großen Konzernzentralen bis hin zu kleinen Start-ups gestaltet, verfügt neben der ca. 2000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche über 400 Quadratmeter Bürofläche. Raum für insgesamt 30 Einrichtungsberater, Innenarchitekten und Verwaltungsmitarbeiter, der in den kommenden Monaten komplett umgebaut wird. „Natürlich ist unser Büro eine gelebte Referenz, wo wir Kunden zeigen können, wie man open space gestalten kann“, erklärt Helge Voss das geplante Projekt im eigenen Haus, „aber in erster Linie versuchen wir, die Fläche für uns zu optimieren und setzen dabei das Thema New Work in einer für uns neuen Form um. Wir möchten mit unserem veränderten Office die räumlichen Bedingungen und die Arbeitsprozesse entsprechend neu justieren und einen Raum mit hoher Flexibilität, der Förderung von Kommunikation und einer verbesserten Zusammenarbeit sowie einer hohen Aufenthaltsqualität schaffen, bei gleichzeitiger starker Emotionalität. Das Ziel ist ein inspirierendes Raumkonzept im Wechselspiel zwischen Kommunikation und Ruhe.“

„WICHTIG IST, DASS DIE MITARBEITER IM PROZESS MITGENOMMEN WERDEN.“

HELGE VOSSGESCHÄFTSFÜHRER DES CI-HAUSES GÄRTNER IN HAMBURG

OPEN SPACE – ABER NICHT AUSSCHLIESSLICH

Teamwork- und kommunikationsfördernd in der schönen neuen Arbeitswelt und ein Sinnbild von New Work gelte vor allem Open Space als das Maß der Dinge – doch, Voss gibt zu berücksichtigen, sei der offene Raum nicht für jedes Unternehmen bzw. jede Abteilung das Allheilmittel: „Wir merken, dass dieses Setting nicht für alle Dinge gleichermaßen gut funktioniert. Für einige Tätigkeiten braucht es ein hohes Maß an Ruhe und Konzentration“, erklärt der Geschäftsführer von Gärtner, „hier muss jedes Unternehmen für sich analysieren und entscheiden wo die Chancen und Risiken liegen. Der Erfolgsfaktor für einen Veränderungsprozess in Hinblick auf das Raumkonzept liegt zugegebenermaßen auch immer in der Beteiligung der Mitarbeiter. Es müssen die Bedürfnisse und Motivation der Nutzer im Vordergrund stehen. In diesem Prozess kommt es oftmals zum Verlust von liebgewonnenen, tradierten Strukturen. Dem gegenüber stehen wortwörtlich offene Strukturen mit vielen identitätsstiftenden Optionen. Man kann in diesem Zusammenhang auch von Geben und Nehmen sprechen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter im Prozess mitgenommen werden müssen. Die durch die Auflösung von Einzel- und Doppelbüros entzogene Privatsphäre muss kompensiert werden, zum Beispiel durch Rückzugsmöglichkeiten und wohnliche Welten, die eine ruhige Arbeitsatmosphäre bieten.“

Dabei reiche es nicht, Alkoven oder Highback-Sofas in unmittelbarer Nachbarschaft der Arbeitsbereiche zu platzieren: „Grundvorausetzung ist hier eine ganzheitliche Planung. Aus unserer Erfahrung sollten die Zonen für lautes und leises Arbeiten deutlich voneinander getrennt werden, da sich die Tätigkeiten sonst gegenseitig behindern“, erklärt Voss, der besonders bei großen Flächen für den Einsatz akustisch wirksamer Trennwände wirbt, mit der er zukünftig auch im eigenen Unternehmen die Lärmquellen reduzieren möchte.

Auch Einzelzellen, sogenannte Silent Rooms seien eine sinnvolle Ergänzung des Open Space: „Für konzentriertes Arbeiten oder diskrete Telefonate ist es wichtig, akustisch getrennte Räume im Open Space zu schaffen. Die lassen sich über ein Buchungssystem stunden- oder tageweise buchen und bieten die nötige Privatsphäre“, so Voss, der als flexible Ergänzung bestehender Arbeitsplätze eine agile Fläche plant, die sich je nach Bedarf mit Tribüne, flexiblen Arbeitstischen und Wänden bestückt, für Präsentationen oder andere Zwecke nutzen lässt. Ergänzend dazu werde es informelle Treffpunkte geben, die den Austausch der Mitarbeiter untereinander fördern sollen und identitätsstiftend wirken.

Für einige Berufsgruppen sei Open Space dennoch ein absolutes no-go, New Work schlichtweg irrelevant: „Wenn es durchgängig um konzentriertes Arbeiten geht, etwa bei Juristen, dann ist die Akzeptanz für Open Space sehr gering. In diesem Bereich setzen wir fast ausschließlich Einzelbüros um. Umgekehrt geht es in kreativen Bereichen immer um Austausch, um das Teilen von Wissen und Kenntnissen. Da bietet Open Space seine gesamte Bandbreite an Potentialen und gilt schon fast als der Normalfall“, weiß Voss.

DESK-SHARING – DIE AUFLÖSUNG TERRITORIALER GEWOHNHEITEN

Einen Schritt weiter geht das Konzept Desk-Sharing, also die Auflösung des persönlichen Arbeitsplatzes zugunsten freier Platzwahl, häufig einhergehend mit der Möglichkeit für einzelne oder regelmäßige Homeoffice-Tage – für die Mitarbeiter oftmals Fluch und Segen in einem, so Voss: „Für Unternehmen mit geringer Belegungsquote oder zusätzlichem Flächenbedarf ein probates Mittel sich über Desk-Sharing entsprechend Gedanken zu machen. Ist die zukünftige Quote jedoch nicht gut recherchiert, besteht die Gefahr, dass nicht alle Mitarbeiter jeder Zeit einen Platz finden. Die Vorgabe, ein bis zwei Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten, führt unter Umständen zu entsprechenden Herausforderungen, denn nicht jeder hat einen adäquaten Arbeitsplatz zu Hause. Der Arbeitgeber hat hier seine Fürsorgepflicht in Sachen Arbeitsschutz zu erfüllen.“

Doch trotz ständiger Erreichbarkeit schätzten viele Mitarbeiter die neu gewonnene Flexibilität, die das Thema New Work im Zusammenhang mit Desk-Sharing mit sich bringt – unter der Voraussetzung, dass sich die neue Arbeitsplatzgestaltung von innen heraus und als Teil eines grundlegenden Veränderungsprozesses des Unternehmens vollzieht. „Oft sind die Anfragen zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes die Initialzündung für eine Veränderung innerhalb des Unternehmens, die nur gelingt, wenn sie von der Führung gelebt wird und nicht aufgesetzt ist“, so Voss, der in der Neugestaltung der Büroeinrichtung immer eine Chance sieht, das Profil eines Unternehmens nach außen und innen zu schärfen und so wichtige Wettbewerbsvorteile zu erzielen:

„MIT EINEM ATTRAKTIVEN BÜRO LOCKE ICH QUALIFIZIERTE BEWERBER IN MEIN UNTERNEHMEN. INSPIRIERENDE RAUMKONZEPTE KÖNNEN SOMIT AUCH ALS EIN TEIL DES VERGÜTUNGSPAKETES GESEHEN WERDEN. KRITERIEN WIE HOMEOFFICE, EQUIPMENT, WOHLFÜHLATMOSPHÄRE SOWIE EINE GUTE ERREICHBARKEIT MACHEN DAS ARBEITEN BESONDERS BEI JUNGEN ARBEITNEHMERN ERSTREBENSWERTER. DIE ZUFRIEDENHEIT STEIGT, EBENSO WIE DIE VERBUNDENHEIT ZUM UNTERNEHMEN.“

HELGE VOSSGESCHÄFTSFÜHRER DES CI-HAUSES GÄRTNER IN HAMBURG

GRÜNES KLIMA UND EINE DYNAMISCHE EINRICHTUNG

Zum Wohlbefinden der eigenen Mitarbeiter trügen zudem Themen wie Raumklima und die ergonomische Büroausstattung mit höhenverstellbaren Arbeitsplätzen bei. Zwar seien dies nicht unbedingt charakteristische Merkmale für New Work, trotzdem, so Voss, seien auch sie wichtige Bestandteile einer zeitgemäßen Arbeitsplatzgestaltung und Punkte, die auch in der aktuellen Planung Gärtners eigener Bürofläche berücksichtigt würden: „Die beste Haltung ist immer die nächste. Mit einer elektrischen Höhenverstellung ausgestattete Tische ermöglichen eine individuelle Arbeitshöhe im Sitzen und den einfachen Wechsel zum Arbeiten im Stehen.“

Die letzten Sommer hätten außerdem die Notwendigkeit einer professionellen Be- und Entlüftungsanlage aufgezeigt: „Konzentriertes Arbeiten bei Raumtemperaturen von 30 Grad Celsius und mehr ist kaum möglich“, erklärt Voss, der dazu rät, zudem Grünpflanzen in die Planung zu integrieren: „Das Thema Begrünung wirkt sich zusätzlich positiv auf das Raumklima, Wohlbefinden und die Optik aus und sollte deshalb immer ein fester Bestandteil der Arbeitsplatzgestaltung sein.“

Mit gemischten Gefühlen sieht Voss die Integration eines Kickers, einer Tischtennisplatte oder ähnliche Tools auf der Bürofläche, für viele der Inbegriff von New Work: „Vor allem erfordert das einen speziellen Raum, um sicherzustellen, dass die anderen Mitarbeiter dadurch nicht in ihrer Arbeit beeinträchtigt werden. Außerdem sollte man sich vorher genau überlegen, ob es zum eigenen Unternehmen passt oder nicht“, so der Experte und ergänzt: „es sind halt nicht alle Unternehmen junge Start-Ups. Und auch hier gilt: Ist es die gelebte Unternehmenskultur oder der bloße Kicker? Hier geht es um Authentizität.“

BILDER:

Vitra, Wilkhahn, Muuto, privat

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„OFT SIND DIE ANFRAGEN ZUR UMGESTALTUNG DES ARBEITSPLATZES DIE INITIALZÜNDUNG FÜR EINE VERÄNDERUNG INNERHALB DES UNTERNEHMENS“
HELGE VOSS
GESCHÄFTSFÜHRER VON GÄRTNER IN HAMBURG
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