Gastronomie

Ein Universum der Unendlichkeit

Ein Restaurant so zu gestalten, dass es eigene Geschichten erzählt, den Gästen in Erinnerung bleibt und Spaß macht – das ist nur ein Teil der täglichen Arbeit von Danilo Dürler und Oliver Bischoff. Denn die beiden Gründer von ett la benn beraten ganzheitlich und wissen nur zu gut, dass zu der erfolgreichen Realisierung einer gastronomischen Vision weit mehr gehört als nur gutes Design.
Catherine Hug

Inwiefern unterscheidet sich die Gastronomie von anderen Branchen? Was macht die Gestaltung in eurem Bereich so besonders?

Oliver Bischoff: Wir gestalten ja nicht nur, sondern beraten ganzheitlich, d. h., die Gestaltung ist am Ende nur ein Puzzleteil von vielen. Denn viel extremer als in anderen Branchen kommen in der Gastronomie alle Themen zusammen und es hängt alles mit allem zusammen. Mit guter Gestaltung allein gewinnst du hier keinen Preis, mit gutem Essen allein aber auch nicht. Es ist immer ein Zusammenspiel aus Faktoren wie Qualität, Quantität, Preis-Leistungs-Verhältnis – und dann hat das Wohlfühlen auch was damit zu tun, wie die Themen Temperatur, Akustik und Geruch in der Gastronomie funktionieren. Ich darf weder frieren noch schwitzen, noch darf es nach fettigem Essen riechen. Und wenn es zu laut ist, dann hab ich wirklich Probleme, denn Essen ist meist ein sozialer Akt, und kann ich mich nicht unterhalten, wird es schwierig. Und da bringt es auch nichts, zu sagen: „Wir bauen das schönste Restaurant der Welt“, und das Essen ist dann nicht so gut und der Service weiß nicht damit umzugehen. Dann geht auch keiner mehr hin.


Worauf basiert der gestalterische Ansatz von ett la benn?


Danilo Dürler: Es baut viel auf den Speisen selbst auf, wie das Essen präsentiert und serviert wird. Denn das wirkt sich entscheidend auf das Interior, die ganze Raumgestaltung aus. Dann entsteht vieles situativ, da kommt Inspiration aus der Mode, aus der Region, dem Essen selbst. So schaffen wir eine eigene Welt, die die Vision widerspiegelt und das Genusserlebnis fördert.

Oliver Bischoff: Auf der anderen Seite sind dann noch Faktoren der Wirtschaftlichkeit: Die Verweildauer steuert Angebot, Anzahl der Sitzmöglichkeiten, aber auch ganz banale Dinge wie die Bequemlichkeit der Stühle. Allerdings gab es auch schon Konzepte, da saßen die Gäste drei Stunden auf einem Holzhocker. Natürlich ist das unbequem und natürlich haben die sich dann beschwert. Aber ist das dann nicht auch Teil des Konzepts? Man kann nicht jeden Gast immer total glücklich machen und der gemütliche Stuhl bedeutet eben auch, dass der Gast mehr für seinen Besuch bezahlen muss.


Seht ihr Trends in der Gestaltung von Restaurants?

Danilo Dürler: Insgesamt wird es aktuell bunter und verspielter. Weg von dem ganzen Klaren, das eine Zeit lang vorherrschte. Wichtig ist der Erlebnisfaktor als ein gestalterisches Element, das dem Laden ein Gesicht gibt und von außen vielleicht auch gut sichtbar ist. Denn das ist der Eindruck, der darüber entscheidet, ob ich da reingehe oder nicht. Dazu sollte ein Gastraum heute möglichst vielseitig sein, um dem Gast ein gewisses Entdeckungspotenzial zu bieten, also unterschiedlich gestaltete Bereiche. Und in Zeiten von Social Media braucht es fotogene Hintergründe. Ich kann also kein dunkles Restaurant gestalten, wenn ich will, dass viele Fotos gemacht werden.

Oliver Bischoff: Und ich kann auch kein Gulasch servieren, wenn ich will, dass da viele Fotos gemacht werden, denn das sieht immer nach brauner Grütze aus, auch wenn es das tollste Gulasch der Welt ist. Also mache ich ein helles Restaurant mit viel Tageslicht und buntem Essen, damit es viral besser funktioniert. Und dazu muss ich mir dann die Frage stellen, ob meine Gäste Videos, also Reels für Social Media machen sollen. Da bei bestimmten Frequenzen die LED-Beleuchtung auf Videos flackert, muss ich das entsprechend bei der Lichtplanung berücksichtigen. Das sind aber Dinge, die die meisten Lichtplaner nicht auf dem Schirm haben, wenn sie sich in der Gastronomie nicht auskennen oder das Konzept dahinter nicht kennen. Was wir aber auch sehen, ist, dass die eigentlichen Trends, die uns aktuell beschäftigen, weniger aus der Gastrowelt kommen, sondern aus der gesellschaftlichen Entwicklung. Das sind Preissensibilität, die aktuelle Zurückhaltung, das Hinterfragen der Preisgestaltung, auch unter ethischen und moralischen Gesichtspunkten, zum Beispiel bei der Bezahlung des Personals und natürlich der Nachhaltigkeit – das sind Faktoren, die bei uns in das gesamtstrategische Konzept mit einfließen.
 

Welche Aspekte spielen in euren Designs noch eine wichtige Rolle?

Oliver Bischoff: Wir fokussieren uns bei unserer Gestaltung ganz klar auf die Funktion und die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Aber trotzdem sind natürlich die Projekte die schönsten, bei denen wir gestalterisch freie Hand haben und etwas Besonderes schaffen können. Das Long March Canteen, das wir schon 2012 in Berlin realisiert haben, ist so ein Projekt, das ist ziemlich toll geworden und immer erfolgreich.
Da haben wir Sachen gemacht, die sonst niemand machen würde, Balken aus den Alpen geholt und die dann durch einen Stahlträger gebohrt. Um einen möglichst authentischen Ort zu schaffen, haben wir auch die Möbel lokal in China schnitzen lassen und fünf Monate darauf gewartet, bis sie mit einem Container hier ankamen. Authentizität ist uns wichtig und wir arbeiten nie mit Klischees.


Viele Restaurants sind von außen komplett abgeschottet. Warum?


Danilo Dürler: Es ist wichtig, mit der Erwartungshaltung der Gäste zu spielen, also: Wie nimmt der Gast uns eigentlich vor seinem Besuch wahr? Geprägt von der Berliner Clubkultur Anfang der 2000er Jahre haben wir natürlich einiges davon auf die Restaurantkultur übertragen. Ein gutes Beispiel ist auch da das Long March Canteen. Da sind die Fenster mit einem semitransparenten Material verdichtet, so dass die Räume von außen nicht einsehbar sind. Von innen kann man noch schemenhaft die Lichter der vorbeifahrenden Autos erkennen. Das ist auch ein schöner Effekt. Betritt man dann diesen langen, dunklen Raum, erschließt sich der Raum nicht sofort, sondern erst nach und nach.

Oliver Bischoff: Du tauchst da ein und bist weg aus Kreuzberg. Das ist immer noch ein total verzauberter Ort und es gab auch danach noch sehr viele Orte, wo die Außenwelt abgeschottet wurde. Sowieso macht das total viel Sinn. Warum soll ich rausgucken, wenn ich drin bin? Ich möchte mich doch darauf konzentrieren, was drinnen passiert.


Stichwort Beleuchtung: Welche Faktoren entscheiden darüber, wie hell oder dunkel es in einem Restaurant ist? Und was lässt sich davon vielleicht auch auf mein Zuhause übertragen?
 

Oliver Bischoff: Aspekte wie Farbtemperatur oder die Frage, ob das Licht von unten oder von oben kommt, entscheiden mit darüber, ob ein Konzept aufgeht. Das Toca Rouge zum Beispiel ist perfekt für ein erstes Kennenlernen: Dank der Beleuchtung sieht das Gegenüber immer einfach unheimlich gut aus.

Danilo Dürler: Möchte man, dass die Gäste länger bleiben, braucht es eine gemütliche Atmosphäre mit nicht zu heller Beleuchtung und einer warmen Farbtemperatur. Umgekehrt kann man es natürlich auch bewusst sehr ungemütlich und hell ausleuchten, um die Verweildauer zu verkürzen. Was sich zum Beispiel auf das Private übertragen lässt, sind die Anzahl meiner Lichtquellen und der Bezug zur Tageszeit: Um mich wohlzufühlen, brauche ich morgens ein anderes Licht als abends. Und je nach Anlass möchte ich unterschiedliche Lichtstimmungen schaffen. Dazu sollte ich von der Kerze bis zu Deckenspots auf verschiedene Lichtquellen setzen, die bestenfalls auch noch dimmbar sind. Diese Tipps beschränken sich aber nicht so sehr auf den Essbereich. Das gilt genauso für die übrigen Wohnräume.

Weiterlesen in Trendscout