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WeiterlesenSie sind das wohl prägendste zeitgenössische Designerpaar Chinas: Lyndon Neri wuchs als Nachkomme chinesischer Einwanderer auf den Philippinen auf und kam zum Studium in die USA. Die gebürtige Taiwanerin Rossana Hu kam mit 13 Jahren nach Kalifornien und studierte wie Neri Architektur in Berkeley. Seinen Master machte Neri in Harvard, Hu ihren in Princeton. Später arbeiteten beide im Büro des Designers und Architekten Michael Graves. 2004 gründeten sie Design Republic, einen Concept-Store für Design in Shanghai. 2010 restaurierten sie das alte Hauptquartier der japanischen Armee zu einem modernen Boutiquehotel und erhielten dafür große internationale Anerkennung und zahlreiche Preise. Neri&Hu stehen für zeitgenössisches Design, das westliche und asiatische Einflüsse verbindet und Brücken zwischen der Vergangenheit und der Zukunft baut.
Rossana Hu: In den vergangenen Jahren hat sich unglaublich viel verändert. Mittlerweile gibt es zahlreiche Künstler und Studios, die sich auf eine einzigartige Weise ausdrücken. Und wir befinden uns noch immer am Anfang einer interessanten Entwicklung. Die vergangenen drei, vier Jahre waren insbesondere für die zeitgenössische Architektur prägend.
Hu: Das ist eine sehr schwierige Frage. Zunächst einmal hat natürlich jede Kultur ihre Unterschiede, und das drückt sich dementsprechend auch im Design aus. In China aber kommt hinzu, dass die Gesellschaft über Jahrzehnte völlig abgeschlossen war. Dann, vielleicht erst vor etwa zehn Jahren, kam es zu einer Explosion. Das geschah in einer Periode, in der zugleich zahlreiche neue Technologien entstanden. Chinesisches Design verbindet heute Techniken wie 3D-Druck und Robotik. Im Unterschied dazu hatte beispielsweise die japanische Architektur viel mehr Zeit, zu wachsen und sich zu entwickeln.
Hu: Ich würde nicht von „falsch verstehen“ sprechen, aber es gibt eine bestimmte Erwartungshaltung.
Lyndon Neri: „Chinesen kopieren alles“ – das ist längst überholt. Oder: „Chinesen können nur riesige Gebäude bauen und nicht abstrakt genug denken“ – das sind alles überholte Klischees.
Neri: Zum Beispiel gibt es das Festival of Design, das jedes Jahr in Shanghai stattfindet. Eine Woche lang kommen Designer aus China und der ganzen Welt hierher, um sich auszutauschen. Die Stadt unterstützt uns dabei. Es ist eben nicht im Sinne der Regierung, als Copycats gesehen zu werden. Zudem empfiehlt die Stadtregierung großen Immobilienentwicklern, mit Architekten und Designern zusammenzuarbeiten. Man will definitiv interessante Projekte fördern.
Hu: Es ist auch erstaunlich, wie viele Museen in den vergangenen Jahren hier eröffnet haben. Es tut sich wirklich viel. Das war 2003 noch anders.
Neri: Ich arbeitete damals für Michael Graves und sollte in Shanghai für sechs Wochen ein Projekt beaufsichtigen. Ich wollte, dass meine Frau und meine Kinder mich in dieser Zeit begleiten. Dann aber brach SARS aus, und ich konnte zunächst nicht in die USA zurück. Aus sechs Wochen wurden zwölf Wochen. Anschließend wurde ich gefragt, ob ich nicht noch länger bleiben könne. Daraus wurden vier Monate, dann acht, dann zwölf.
Hu: Wir wollten immer in Asien leben, und wir wollten, dass unsere Kinder Chinesisch lernen. An Shanghai dachten wir zunächst überhaupt nicht. Aber uns wurde schnell klar, dass hier die Zukunft liegt. Wie war die Stadt damals im Hinblick auf Design und Architektur?
Neri: Brachland. Es gab nichts, keine Schnellstraßen, kein Museum, kein westliches Restaurant. Aber für unsere Kinder war es der perfekte Ort, um Chinesisch zu lernen.
Hu: Es gab nicht nur nichts, es interessierte sich auch niemand für Dinge wie Design.
Neri: Ja und nein. Manche Kunden hatten Fotos, von denen sie dachten, sie zeigten gute Architektur. Da war zum Beispiel ein kleines Dorf in Österreich. Also baute man es nach. Zugleich war es aber auch leichter, Leute von gutem Design zu überzeugen. Eine chinesische Mittelschicht war damals gerade am Entstehen. Heute zählen rund 400 Millionen Menschen dazu. Wie wirkt sich das auf Ihre Kundenschicht aus?
Hu: Das hat sich dramatisch verändert. Anfangs war es nur eine kleine gebildete Schicht, die sich für so etwas interessierte. Sogar die meisten Expats wollten einfach nur Kopien westlicher Objekte, um Geld zu sparen. Heute sind es junge, gebildete Leute, die viel reisen und den Wert erkennen.
Hu: Definitiv nicht. Schauen Sie sich Wang Shu an – er war nie im Ausland und ist großartig. Das ist vorbei.
Neri: Ich sehe es etwas anders: Vielleicht wichtiger als eine Ausbildung im Ausland ist es zu reisen. Man muss die Welt sehen. Das halte ich nach wie vor für notwendig. Das aber gilt für alle Designer weltweit.
Hu: Ich mache alles, er macht nichts.
Neri: Hmm …
Hu: Im Ernst, es gibt keine klare Arbeitsteilung. Wir machen das, was gerade ansteht. Das ist immer verschieden.
Neri: Es gibt da ein gegenseitiges Vertrauen, weil wir beide immer nach demselben streben. Wir hinterfragen unsere Arbeit ständig, das kann für Außenstehende manchmal deprimierend klingen. Wir haben sogar einen Deutschen im Büro – unter anderem auch deswegen, weil Deutsche immer so kritisch sind.
Hu: Vor zehn Jahren war das absolut innovativ. Ich habe aber das Gefühl, dass wir langsam einen neuen Anstrich brauchen.
Neri: Eine Revolution brauchen wir.
Hu: Eher eine neue Art, Design vorzustellen.
Neri: Eine Revolution.
Hu: Solche Verkaufsflächen brauchen etwas Besonderes, damit sie funktionieren.
Neri: Damals gab es eine große Notwendigkeit, China und Design einmal anders vorzustellen. Dafür war das die richtige Plattform. Wir haben eigentlich in unserer Karriere immer nach Notwendigkeiten gesucht. Was muss getan werden? Es ging uns nie darum, irgendjemanden zu schockieren. Aber wir glauben intuitiv daran, dass etwas getan werden muss. So war es auch mit dem Waterhouse-Hotel in Shanghai. Wir sahen es als notwendig an, einen historischen Ort in die Gegenwart zu führen. Es ist wie bei einer Beziehung: Wenn sie gut läuft, muss man nichts ändern. Aber wenn etwas nicht gut läuft, muss man etwas ändern, die Dinge neu machen, auffrischen.
Neri: Ein Waisenhaus. Das ist ein Kindheitstraum von mir. Ich weiß nicht, wieso.
Hu: Ja, ein Klavier. Und ich bin gerade dabei.
Hu: Bestimmte Objekte in dieser Welt sind schon ziemlich perfekt. Ein Klavier gehört dazu. Und trotzdem ist es vielleicht an der Zeit, es noch einmal neu zu denken.
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