EXPERTENTIPPS
WIE FARBEN RÄUME VERÄNDERN
FARBGESTALTUNG

BERUHIGENDE DUNKELHEIT

Katrin Trautwein, Farbexpertin und Gründerin von kt.color erklärt, worauf es bei der Farbgestaltung eines Raumes ankommt.
AUTORIN: Catherine Hug

Wie finde ich die richtige Wandfarbe? Welcher Weißton ist der Richtige für mein Wohnzimmer? Und wie kann ich einen Raum optisch vergrößern oder beruhigen? Katrin Trautwein weiß, worauf es bei der Farbgestaltung eines Raumes ankommt. Die Farbexpertin und Gründerin von kt.color erforscht und produziert seit über 20 Jahren Wandfarbe im schweizerischen Uster bei Zürich. 

MIT FARBE ATMOSPHÄRE SCHAFFEN

Ausgangspunkt für die Erstellung eines harmonischen Farbkonzepts sei laut Trautwein immer die Frage nach der gewünschten Atmosphäre: „Soll es heimelig sein, nüchtern oder eher geheimnisvoll, wünschen sich die Kunden eine elegante Umgebung oder eher eine puristische und kühle Atmosphäre – wurde das im Vorfeld nicht beantwortet, merkt man das häufig daran, dass dem Raum ein gewisser Zusammenhalt fehlt.“
Als Nächstes gelte es, die Dinge in der weiteren Planung zu berücksichtigen, die im Raum bereits vorhanden sind. „Das ist vielleicht das Kunstlicht oder der Bodenbelag, das können aber auch Kunstwerke sein oder einfach eine andere Wand im Raum. Anschließend geht es darum, welche Dinge man im Raum hervorheben möchte und welche nicht“, erklärt Trautwein, die ein gelungenes Farbkonzept mit einer Landschaft vergleicht, in die sich alles harmonisch einbetten lässt.

ES MACHT EINEN RIESEN-UNTERSCHIED, OB ICH IN EINEM RAUM MIT CARRARA-MARMOR ODER TITANOXID AN DEN WÄNDEN SITZE.

KATRIN TRAUTWEINFARBEXPERTIN UND GRÜNDERIN VON KT.COLOR

Auch wenn bei der Erstellung eines Farbkonzepts feinste Nuancen den Unterschied machen, warnt die Expertin davor, Farben als solche losgelöst von deren Kontext betrachten zu wollen: „Farb- und Formwirkung hängen voneinander ab, d.h. unsere Farbwahrnehmung ist immer kontextgebunden. Eine rote Rose hat noch niemanden aggressiv gemacht. Rot an sich entfaltet keine Wirkung, sondern zum Beispiel glutrote Vulkanerde, deren Wirkung aber völlig anders ist, als die eines synthetisch hergestellten Karminrots.“

MIT FARBE BETONEN ODER KASCHIEREN

Trotzdem, so Trautwein, gebe es Unterschiede in der Wahrnehmung bestimmter Farben, die bei der Raumgestaltung berücksichtigt werden müssten: „Unser menschliches Auge nimmt Rot und Grün als besonders formstabil wahr, das bedeutet, dass diese kräftigen Farben an der Wand präsenter sind, als etwa Blau oder Grau, die wir nicht mit formbetonten Flächen verbinden, weil sie naturgemäß immer eher in der Ferne lagen. Je höher also der Rotanteil in einem Raum, desto voller und kleiner wirkt dieser. Ergraute Flächen in kleinen Räumen wirken dagegen weniger belichtet, so dass sie, wie bei blauen Flächen, der Wahrnehmung entfliehen und den Raum größer erscheinen lassen. Diskrete Grau- oder Sandtöne eignen sich deshalb hervorragend, um Dinge unsichtbar zu machen“, so die Farbexpertin, die ihr umfangreiches Wissen über Farbe und deren Wirkung im Raum auch in ihren Fachseminaren, die sie in ihrer Farbmanufaktur anbietet, lehrt.

VON DUNKLER GROSSZÜGIGKEIT UND HELLER UNRUH

Auch mit dem gängigen Irrglaube, weiße Wände würden einen Raum optisch vergrößern, möchte Katrin Trautwein aufräumen: „Unsere Augen sehen Helligkeit zuerst. Wenn ich also eine tolle Stuckdecke habe und ich streiche sie weiß, rückt sie automatisch runter in mein Blickfeld. Ziehe ich die weiße Deckenfarbe mit einem Streifen an der Wand etwas weiter runter, wirkt der Raum insgesamt niedriger. Ebenso verhält es sich mit weiß gestalteten Fußleisten: möchte ich, dass der Grundriss des Raumes, also seine Begrenzung betont wird, ist das der richtige Weg. Fehlt aber dieser Kontrast, weil Fußleisten und Decke im gleichen, dunklen Ton gestrichen sind, verschwimmen die Konturen und der Raum wirkt größer. Außerdem geben dunkle Wände den Dingen darin Halt, sie verbinden sie miteinander, so dass der Raum automatisch ruhiger wirkt als ein Raum, bei dem jedes Möbelstück durch eine weiße Wand dahinter wie durch ein Passepartout gerahmt, mit den übrigen um Aufmerksamkeit ringt.“ Gerade bei kleinen Räumen mit viel Kunstlicht rät Katrin Trautwein deshalb gern zu dunklen, eindrucksvollen Wandfarben: „So kann ein kleines Gäste-WC wunderbar und geheimnisvoll wirken.“ Sollen nur einzelne Wände farblich gestaltet werden, so warnt Trautwein davor, sich zu sehr von pauschalen Tipps zur Farbgestaltung leiten zu lassen: „Es kommt ja neben der gewünschten Atmosphäre darauf an, mit welchen Farben die Wand unter Umständen konkurriert. Eine einzeln bunt gestaltete Wand zieht schon allein über den Kontrast die volle Aufmerksamkeit auf sich, so dass sich in einzelnen Situationen eine großartige Wirkung entfalten kann. Habe ich allerdings bereits einen Blickfang im Raum, wie zum Beispiel einen schönen Stuhl, dann konkurriert die rot gestaltete Wand unter Umständen damit. Dazu kommt: möchte ich mich in dem Stuhl erholen, sollte ich die Wand dahinter oder besser die ganze Nische eher ruhig und verschattet gestalten, um einen entsprechende Atmosphäre zu erzeugen“, rät Trautwein, die herkömmliche Theorien zur Farbwirkung für unbrauchbar hält: „Wir nutzen Begriffe, die in Laborsituationen entstanden sind – das kann einfach nicht funktionieren.“

INTENSIVE FARBWIRKUNG DURCH REINE NATURPIGMENTE

Naturerden und Halbedelsteine – entscheidend für eine intensive Wirkung der Farbe im Raum sei nicht zuletzt deren Zusammensetzung, so Chemikerin Trautwein, die bei kt.color auf reine Naturpigmente setzt: „Hinter unseren Farben stehen sehr komplizierte Rezepturen, bei denen wir auf das Funkeln im Licht optimieren, deshalb wirken unsere Farben tiefer. Das Licht kommt gewissermaßen von hinten.“ Die spezielle Herangehensweise der Manufaktur geht soweit, dass jeder der mittlerweile 900 Farben aufgrund der jeweils verwendeten Rohstoffe seinen individuellen Preis hat – und mit Echtheitszertifikat ausgeliefert wird. „Wir decken keine speziellen Farbraum ab oder versuchen nicht, einfach beliebig Farben zu machen, sondern holen jeweils das Optimum aus dem Pigment im Rezept raus. Jede Charge wird in unserem Handwerksbetrieb hergestellt. Hier steht also wirklich jemand, der die Farben anrührt“, ergänzt Trautwein, deren Unternehmen als der wohl am häufigsten kopierte Farbhersteller weltweit gilt.

ERPROBTES WISSEN UND LEIDENSCHAFT

UNSERE EXPERTEN

„EINFACHE TIPPS ODER PAUSCHALE AUSSAGEN ZUR FARBWIRKUNG ENTSPRECHEN NICHT DEM, WIE WIR ALS MENSCHEN FUNKTIONIEREN. DIESE THEORIEN SIND VÖLLIG UNBRAUCHBAR.“
KATRIN TRAUTWEIN
KT.COLOR

Bilder

Titelbild und Bild 2: Bruno Klomfar, Wien; Bild 3: Anna Maria Beck; Bild 4: Roman Stalder GmbH; Bild 5: Architektur Interior, Berlin; Bild 6: Wesenfeld Höfer, München, Bild 7: Matthias Grauwinkel, Rest: privat

 

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