Wo das Licht zur Farbe wird
Wo das Licht zur Farbe wird, wird Gestaltung zu einem poetischen Akt.
WeiterlesenOb Glas, Holz oder Geflecht, für Herkner ist das Handwerk nie bloße Ausführung, sondern gleichwertiger Partner im Entwurfsprozess. Seine Entwürfe sind dabei so vielfältig wie seine Einflüsse – mal klar und reduziert, mal weich und farbenreich.
So entstehen Objekte, die eine sinnliche Sprache sprechen, die Haptik, Ästhetik und Funktion vereint. Nicht das radikal Neue steht bei seinen Arbeiten im Vordergrund, sondern das Kultivieren des Bestehenden – mit einer Leidenschaft für „echtes“ Material und Respekt den Menschen gegenüber, die es bearbeiten. So erzählen seine Entwürfe von Orten und Traditionen, von Geduld, Präzision und dem Wert des Unperfekten – in seiner ganzen Vielfalt.
Für Herkner markiert er außerdem seinen Durchbruch als Designer und seine Zusammenarbeit mit Classicon. Auf der gläsernen Basis in Edelsteintönen sitzt ein Trichter aus Messing, Stahl oder Aluminium. Er hält die Tischplatte als gewichtigen Kontrast gegenüber dem transparenten Fuß. Wahlweise stehen hier Marmor, schwarzes Kristallglas und seit Neuestem auch Strohmarketerie zur Auswahl.
Das Dekorieren mit aufgeschnittenen Strohstreifen, diese fast vergessene Technik aus dem 18. Jahrhundert, belebte Herkner damit neu: In einer Strohmanufaktur in Deutschland werden die feinen Strohstreifen in Präzisionsarbeit auf die Trägerplatte aufgebracht und unter Glas luftdicht verschlossen. Dort breiten sie sich wie Sonnenstrahlen vom Mittelpunkt über die Oberfläche aus und erzeugen ein eindrucksvolles dreidimensionales Muster mit Tiefeneffekt. Herkner, selbst fasziniert von der natürlichen Farbigkeit des Strohs, würdigt mit der Strohmarketerie- Platte das Zusammenspiel aus Tradition, Materialästhetik und handwerklicher Exzellenz. Es macht den Bell Table zu einem einzigartigen Möbelstück, das Design als lebendiges Handwerk erfahrbar macht.
Von einem weiteren, fast in Vergessenheit geratenen Handwerk erzählen die Entwürfe, die in Zusammenarbeit zwischen Herkner und der Möbelmanufaktur Zanat entstanden sind. Das in vierter Generation geführte Familienunternehmen sitzt im bosnischen Konjic, bewahrt und pflegt dort die jahrhundertealte Tradition der bosnischen Schnitzkunst. 2017 erkannte die UNESCO dieses als immaterielles Weltkulturerbe an. „Die Schnitzereien sind die Essenz unserer Objekte und Möbel. Sie sind alles andere als Dekoration“, sagt Orhan Nikšić, der heutige CEO und Mitinhaber von Zanat. Entsprechend braucht es den gemeinsamen Austausch, auch um neue Muster und Texturen zu entwickeln. Für Herkner optimale Voraussetzungen, um sich auch dieses Handwerk anzueignen und gemeinsam mit den erfahrenen Schnitzmeistern vor Ort eine ganze Reihe von Objekten zu gestalten. Sie alle verbinden sinnliche Details mit zeitloser Funktion und tragen Zanats handwerkliches Erbe so in die Gegenwart.
So wie der Raumteiler Veo, der durch filigrane, von Hand geschnitzte Ornamente besticht, die Oberfläche der schwenkbaren Paneele mit geometrischen Mustern überzogen. Nicht komplett, denn Herkner setzt bewusst auf Wiederholung und Leere, um das Objekt leicht und durchlässig erscheinen zu lassen. So hinterlässt das von architektonischen Elementen sowie von Lichtund Schattenspielen inspirierte Muster nicht nur visuell Eindruck, es bietet auch eine haptisch sinnliche Erfahrung. Von der Verbindung aus zeitgemäßem Design und traditioneller Schnitzkunst erzählt auch die Serie „Mati“, was im archaischen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch Mutter bedeutet. Das Schnitzmuster von Tisch, Stuhl und Tablett ist ein Abbild der mikroskopischen Betrachtung der Zellstruktur von Holz. Die ornamentalen Muster folgen dabei keinem starren Raster, sondern entfalten sich organisch, zeugen so vom Können und von der Erfahrung. So entstehen Unikate, kleine Erzählungen aus Holz, in denen sich kulturelle Identität und moderne Formensprache begegnen.
Auch in der Zusammenarbeit mit dem kolumbianischen Label Ames fanden Tradition, Kultur und Design dank Herkners Einsatz eine gemeinsame Sprache. Doch zuvor reiste der Designer für die Entwicklung der farbenfrohen Möbelserie Caribe mehrfach nach Kolumbien, lernte die Produzierenden persönlich kennen, und entwickelte Farbpaletten direkt vor Ort.
Was auf den ersten Blick an tropisches Outdoor-Mobiliar erinnert, ist das Ergebnis sorgfältiger Farbstudien, kultureller Recherchen und intensiver Kooperation. So spiegeln die kräftigen Kontraste – etwa Pink und Petrol oder Sonnengelb und Schwarz – die visuelle Kultur Lateinamerikas wider und verleihen jedem Möbelstück einen eigenständigen Charakter.
Das Besondere an der Caribe-Serie ist jedoch nicht nur ihre Ästhetik, sondern ihr ethischer Anspruch: Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Werkstätten schafft Ames faire Arbeitsplätze, sichert handwerkliches Wissen und stärkt regionale Identitäten. Denn die farbenfrohen Stühle, Tische und Loungemöbel werden in kleinen, über ganz Kolumbien verstreuten Kunsthandwerkstätten gefertigt, die die traditionelle Webtechnik „momposino“ beherrschen. Indem Herkner diese Technik mit Wurzeln in präkolumbianischen Traditionen in eine neue Formensprache überführt, übersetzt er zwischen Welten, ohne eine zu dominieren. Dabei geht es nicht nur um schöne Dinge, sondern um eine Form des respektvollen Austauschs: zwischen Designer und Produzierenden, zwischen Tradition und zeitgenössischer Ästhetik.
Dem Handwerk schenkt Herkner damit Stimme und Bühne und zeigt, wie gute Gestaltung Brücken schlagen kann – zwischen Tradition und Gegenwart, Menschen, Kulturen und Materialien.
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