TRENDSCOUT
MANUFAKTUR

OBERFLÄCHEN MIT SUBSTANZ

Ulrich Welter, Gründer von Welter Wandunikate
Alles andere als oberflächlich
AUTORIN: Catherine Hug

Es ist eine einfache Rezeptur auf Basis von gebundener Kreide und Kaolin, die als Grundstoff für die aufwändig hergestellte Craquelé-Struktur der Paneele dient. Gebrochen, mehrfach überlackiert und hochglanzpoliert, erscheint die Oberfläche fragil und zugleich von großer Eleganz, erinnert an ein aus feinsten Porzellanscherben in mühevoller Handarbeit zusammengefügtes Mosaik. Nicht weniger aufwändig ist die Herstellung der Paneele: Je nach Oberfläche braucht es bis zu 20 Stunden für einen einzigen Quadratmeter, erklärt Ulrich Welter, Gründer der Manufaktur für Wandunikate in Berlin-Schöneberg.

Seit 37 Jahren stellt Welter exklusive Wandverkleidungen wie diese Paneele her. Dazu kommen mit Perlen, Kristallen, Mineralien oder Blattmetall veredelte Tapeten, individuell im Kundenauftrag gefertigt. Wandunikate, die ihrem Namen alle Ehre machen, weil sie in mühevoller Handarbeit entstehen und den mit ihnen geschmückten Räumen einen einzigartigen und eben auch sehr luxuriösen Charakter verleihen. Dafür bedient sich Welters Team keineswegs alter Handwerkstechniken. Es sind Eigenentwicklungen von Ulrich Welter, der, wie er selbst sagt, ziemlich gut mit Materialien umgehen kann und so lange experimentiert, bis das Ergebnis seinen Vorstellungen entspreche: Faszinierende Farb- und Lichtspiele, aber auch dreidimensionale Texturen wie bei gewebtem Leder oder Krokodilhaut und erhabene Ornamente
entstehen so.

Zu Welters Kunden zählen nicht nur Shops und Hotels in aller Welt, die auf die Anziehungskraft luxuriös dekorierter Bereiche setzen. Es sind auch Privatleute, die seine Faszination für Oberflächen teilen und über die Jahre zu Stammkund:innen werden. Aber, so gibt Welter freimütig zu, „ein bisschen Verrücktheit gehört schon mit dazu, wenn man seine Wände mit so exklusiven Materialien schmückt“. Dabei sei es weniger Prestigedenken, sondern der Sinn für das Material an sich und „die Poesie der von Hand hergestellten Unikate“, die Kunden zu ihm führten, mutmaßt er. Und: Wer nicht verrückt sei, der könne sich einfach eine tolle Tapete oder eine schöne Farbe aussuchen. Das sehe auch schön aus. „Für die Sachen, die wir hier machen, braucht es aber ein gewisses Feingefühl, einen besonderen Zugang – und eben eine gewisse Verrücktheit. Wir arbeiten für Menschen, die es sich leisten können und eine gewisse Leidenschaft für Wände haben.“ Doch die ganz in Gold zu tauchen, davor schrecken die meisten seiner Kunden eher zurück. Zu groß ist die Angst, das falsche Signal auszusenden, vermutet Welter, der eine höhere Nachfrage bei gebrochenen Tönen wie Bronze verzeichnet, als das bei goldenen Wandunikaten der Fall sei. „Dabei macht Gold glücklich“, ist sich Welter sicher. Den Effekt führt er vor allem auf das magische Zusammenspiel mit Licht zurück: „Es gibt etwas, was Metall im Unterschied zu anderen Materialien kann, das ist die Lichtreflexion in der eigenen Farbe. Dieses wunderschöne Licht ist fast wie die eingefangene Sonne. Und ja, es ist ein kostbares Material, aber das sehe ich eigentlich nicht. Ich sehe das, was das Material macht: den Farbton und das Lichtspiel. Es ist zwar in dem Moment ein teures und seltenes Material, aber die gleiche Begeisterung kann ich gegenüber Beton oder Schlick an der Nordsee entwickeln. Wenn das Licht darauf fällt und diese wellige Struktur zum Vorschein kommt, dann geht für mich davon die gleiche Faszination aus.“
Dass für viele der Luxusbegriff so eng mit dem Goldpreis verknüpft sei, entspräche nicht seiner Auffassung von Luxus. Vielmehr entscheide eine gewisse Ästhetik über die Wertigkeit der Dinge: „Luxus ist die geschmackvolle Kombination von
wertigen Materialien, nicht zwingend wertvolle, aber eben schöne Materialien. Das kann einfach nur Holz sein, das schön verarbeitet mit einem einfachen Gipsputz kombiniert wird.“ Von dieser Ästhetik zeugen auch viele seiner dreidimensionalen Oberflächen, für die eine vergleichsweise günstige und schon seit Jahrhunderten existierende Mixtur aus Kreide, Leim und Kaolin zum Einsatz kommt. Das „sympathischste“ Material, wie Welter findet, besteht aus natürlichen Zutaten, ist einfach in der Herstellung und verfügt über eine nahezu unbegrenzte Haltbarkeit. Das sei wichtig, denn viele der von ihm gestalteten Oberflächen überdauern ihre Bewohner:innen. „Ein Raum soll authentisch sein. Wir versetzen ihn in einen Zustand, so dass wir ihn eigentlich nie wieder ändern müssten“, beschreibt er seinen Anspruch an eine zeitgemäße Gestaltung, die sich am Charakter des Raumes orientiert und diesen unterstreicht. „Damit der Raum, bevor ein einziger Stuhl drinsteht, ein Gesicht bekommt.“ Denn nur so, ergänzt Welter, hätten seine Wände Jahrzehnte lang Bestand und würden selbst bei einem Eigentümerwechsel nur etwas aufgefrischt werden müssen. Dass die Materialien sichtbar altern würden, sei dabei keineswegs unerwünscht, im Gegenteil: „Die Zeit darf spürbar sein“, stellt er zusammenfassend fest.

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